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Suburbanisierung durch innerstädtische Revitalisierungsmaßnahmen gestoppt?


Suburbanisierung, Revitalisierung, Sanierung, Strukturwandel, Innenstadt, Downtown, Gentrification

Lange Zeit war die These unumstritten, dass der Prozess der Suburbanisierung nicht mehr umkehrbar sei. In jüngerer Zeit sind jedoch Rückwanderungstendenzen zu erkennen, sodass man vereinzelt bereits von einer "Reurbanisierung" spricht. Bis heute liegen jedoch kaum Daten vor, die diese Beobachtung als längerfristigen Trend widerspruchsfrei belegen könnten. Korrekt ist die Feststellung, dass Revitalisierungsprogramme vielerorts zu einer Aufwertung der Innenstädte geführt haben. Diese bewirken allerdings bislang kaum eine Verlangsamung des Bevölkerungsabzugs; von einer Umkehr der Stadt-Rand-Migration kann keinesfalls die Rede sein.


Revitalisierungsmaßnahmen und Strukturwandel der Innenstädte

In vielen city-nahen Wohngebieten mit historischer Bausubstanz, die von Verfallserscheinungen bedroht waren, konnten durch staatlich geförderte Sanierungsmaßnahmen – sowohl im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus als auch in Form einer Luxussanierung (gentrification) – das Wohnumfeld und die Wohnungssituation so weit verbessert werden, dass sie auch für einkommensstärkere Schichten als Wohngebiete wieder interessant wurden. In den durch Luxussanierung aufgewerteten Gebieten haben sich jedoch die sozialen Strukturen zumeist grundlegend geändert, denn gentrification geht in aller Regel mit einer sozialen Umschichtung einher, da ärmere Bevölkerungsschichten durch einkommensstärkere verdrängt werden. Es sind vor allem gut verdienende, karriereorientierte, oft kinderlose Haushalte (Singles, Studenten, Yuppies = young urban professional people, Dinks = double income no kids), die das Ambiente der durch Luxussanierungen aufgewerteten Innenstadtquartiere suchen. Sie bevorzugen die Nähe zu ihrem Ausbildungs- und Arbeitsplatz in der Downtown und vermeiden mit Ihrem Umzug in die Innenstädte gleichzeitig die langen Pendlerwege aus den Suburbs. Zu einem Bevölkerungsgewinn der Innenstädte kam es dadurch jedoch nicht.
Die an die Downtown angrenzende Übergangszone (transition zone), die lange Zeit eine Zone verfallener Wohn- und Gewerbenutzung darstellte, erfuhr seit Mitte der 1970er Jahre eine Aufwertung im Rahmen mehrere Stadtentwicklungsprogramme, wie z. B. dem Community Development Block Grant-Programm und dem Urban Development Action Grant-Programm. In den späten 1950er bis frühen 1970er Jahren war es hier zu umfangreichen "Kahlschlagsanierungen" gekommen. Auf den so gewonnenen Arealen wurden nun Hotels, Kongresszentren, Sportarenen. Museen, Konzerthallen, Einkaufs- und Bürokomplexen sowie Mischnutzungsprojekten gebaut, wie z. B. in Atlanta, wo man mit Blick auf die Sommerolympiade 1996 zahlreiche Sportstätten, Hotels und Wohnanlagen errichtete, aber auch in zahlreichen anderen Großstädten. Auch hier gilt: Die Innenstädte erfahren einer Aufwertung, der Suburbanisierungsprozess kann damit nicht aufgehalten werden.
In jüngerer Zeit versuchen die Städte verstärkt Unternehmen des tertiären Sektors, z. B. aus der High-Tech-Branche, mit Subventionen in die Downtown zu locken. Ein erfolgreiches Beispiel ist Lower Manhatten, wo die kommunale Behörde seit Mitte der 1990er Jahre durch Steuererlass oder -reduktion die enormen Büroleerstände in der Downtown zu verringern sucht. Die neuen Unternehmen müssen je nach ihrer Größe einen Fünf- oder Zehnjahresvertrag unterzeichnen, um in den Genuss der Steuervorteile zu kommen. Die Steuerersparnis ist für die Unternehmen z. T. beträchtlich, während die Stadt die gewährten Subventionen durch Steuermehreinnahmen infolge der höheren Beschäftigung zu kompensieren hofft. Vereinzelt kommt es dabei auch zu einer Umwandlung leer stehender Bürohäuser in Wohnhäuser, wodurch ein nicht zu unterschätzender Wachstumsschub ausgelöst wurde; in New York geht man von einem Wachstum der Downtown auf ca. 30.000 Bewohner bis zum Jahre 2002 aus.
Eine Attraktivitätssteigerung der Innenstädte bewirkten ferner die besonders in den 1970er bis 1990er Jahren boomenden inner-urban-entertainment-centers. Darunter versteht man Geschäfte bzw. Komplexe von Geschäften, die Einkaufen (retailing, shopping) mit (entertainment) zu Retailtainment oder Shoppertainment verschmelzen. Diese Geschäfte werden dadurch zum "Erlebnis", dass sie z. B. Sport- und Freizeitartikel verkaufen und den Käufern gleichzeitig die Gelegenheit geben, diese Sportartikel auszuprobieren (z. B. Versuchsstrecken für Mountain Bikes) oder indem sie Unterhaltung in Form von Filmvorführungen auf riesigen Videowänden bieten. Nach dem Motto "what worked in the suburbs should work in the city" wurden in den letzten 15 bis 20 Jahren in mehreren Städten Downtown shopping malls gebaut. Wie die shopping malls in den Vororten sind sie überdacht und klimatisiert, so dass der Kunde in einer künstlichen und angenehmen Atmosphäre im Stimmung gehalten und zum Kaufen stimuliert wird. Dazu kommt, dass man sich in einer überdachten Mall offensichtlich sicherer fühlt als auf offener Straße. Skywalks, das sind überdachte Straßenbrücken für Fußgänger, die die Mall mit wichtigen anderen Gebäuden der Stadt (Hotels, Banken) in Höhe des ersten oberen Stockwerks verbinden, verstärken das Gefühl der Sicherheit und die Vorstellung, dass man nicht "nach draußen" muss.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Norbert von der Ruhren
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2002
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.11.2005